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WASG - L.PDS: Die dümmste aller Möglichkeiten. |
von Egbert Scheunemann | |
28.05.2006 | |
Von der mutwilligen Zerstörung des Projektes einer breit fundierten Neuen Linkspartei durch die Hurrafusionisten in WASG und Linkspartei.PDS – und was man dagegen tun kann Was ist Und was passiert eineinhalb Jahre später? Der Bundesvorstand der WASG setzt die Landesvorstände der WASG in Berliner und Mecklenburg-Vorpommern ab, weil sie es wagten, den Wählerinnen und Wählern beider Bundesländer zu den Wahlen am 17. September 2006 eine antineoliberale Wahlalternative zu bieten! Wie ist es dazu gekommen? Die von Turbofusionisten inzwischen zu Hurrafusionisten mutierten Gegner eines eigenständigen Wahlantritts der WASG in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern geben vor – und vielleicht meinen sie das sogar im Ernst – , ein eigenständiger Wahlantritt der WASG in einzelnen Bundesländern gefährde das übergeordnete, weit wichtigere Projekt einer bundesweiten Neuen Linkspartei. Das ist zwar nachweisbarer Unsinn. In vielen Städten und Bundesländern gedeiht die Zusammenarbeit zwischen WASG und Linkspartei.PDS nämlich ganz prächtig – nicht zuletzt, weil viele Linkspartei.PDSler selbst nur massives Kopfschütteln erübrigen für das, was ihre Genossen in Berlin und sonst wo (Dresden etc.) politisch fabrizierten und fabrizieren. In Hamburg, um nur ein Beispiel zu nennen, haben WASG und Linkspartei.PDS sogar schon gemeinsame Büroräume bezogen – trotz aller Querelen in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern. Und selbst dann, wenn sich diese Querelen zu eigenständigen Wahlantritten der WASG in beiden Bundesländern ausgewachsen hätten bzw. noch auswachsen sollten (noch sind diesbezüglich letzte juristische Worte ja nicht gefallen), betrüge die Wahrscheinlichkeit, dass die Linkspartei.PDS den Prozess einer bundesweiten Neuformierung der politischen Linken abblasen würde, nur weil zwei Bundesländer nicht von Anfang an dabei wären, exakt Null: Die Linkspartei.PDS (Durchschnittalter ihrer Mitglieder: 67!) hat ein existenzielles Interesse an einer Neuen Linkspartei, an einer Frischzellenkur namens WASG, weil sie sich sonst einfach in absehbarer Zeit biologisch erledigen würde. Und das wissen ihre Strategen. Warum also die extreme Eile der Hurrafusionisten, die geradezu an eine Politik verbrannter Erde grenzt? Unter dem massiven Druck der Drohung einer Spaltung der WASG von oben stimmte auf dem Ludwigshafener Parteitag der WASG Ende April 2006 eine knappe Mehrheit für den Kurs der Hurrafusionisten. Ein Initiativantrag, der sich gegen administrative Maßnahmen gegen WASG-Landesverbände aussprach, die Wahlantritte gegen die Linkspartei.PDS planen, wurde mit einer Mehrheit von nur 13 Stimmen abgelehnt. Fast die halbe Partei stand und steht also nicht hinter dem Kurs der Oskar Lafontaine, Ulrich Maurer, Klaus Ernst & Co. (Dass sich nach dieser ersten großen Abstimmungsniederlage der Kritiker einer Turbofusion die Abstimmungsergebnisse mehr und mehr in Richtung der Hurrafusionisten verschoben, tut hier nichts zur Sache – und sagt maximal etwas über die Eigendynamik von Parteitagen und die politische Standfestigkeit, besser: Manipulierbarkeit vieler Delegierter aus.) Selbst der, um ihn mal so zu nennen: zentristische Flügel der Partei warf nach dieser Abstimmungsniederlage das politische Handtuch in Form der Rücktritte der Bundesvorstände Sabine Lösing, Joachim Bischoff und Björn Radke. Es wundert insofern nicht, dass umso mehr die Parteilinke ihren eigentlich projektierten Generalangriff gegen die Linie um Klaus Ernst abbrach und die geplanten Kandidaturen ihrer VertreterInnen zu den Nachwahlen zum Bundesvorstand zurückzog – ein, wie im Nachhinein selbstkritisch festzustellen ist, taktisch-strategischer Fehler erster Güte. Aber der Schock saß zunächst tief. Viele Delegierte verließen vorzeitig den Parteitag. Viele traten von ihren Parteiämtern zurück. Und viele verließen umgehend oder spätestens nach Bekanntwerden der Absetzung der Landesvorstände der WASG in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern die Partei. Man wollte mit einer Partei, die mal ein breit fundiertes pluralistisches und demokratisches Linksbündnis werden sollte, nun aber zu einer autoritär-zentralistischen Kaderpartei zu degenerieren drohte, die nach Gutsherrenart von der Bundestagsfraktion der Linkspartei.PDS und den Bundesvorständen beider Parteien durchregiert wird, nicht länger etwas zu tun haben. Also nochmals: Warum diese an einen Amoklauf erinnernde Politik der Klaus Ernst & Co.? Warum lässt man die halbe Partei zurück – und noch weit mehr potenzielle Parteimitglieder und noch viel, viel mehr potenzielle zukünftige Wähler? Gemessen am anfänglichen Anspruch, eine möglichst breit, pluralistisch und demokratisch fundierte Neue Linkspartei zu schaffen, ist die sich abzeichnende minimalistische Fusionsvariante nämlich die mit Abstand dümmste aller taktisch-strategischen und organisatorischen Möglichkeiten. Man würde sich kaum noch wundern, wenn in einiger Zeit die Bundesvorstände beider Parteien und die Fraktionsstars der Linkspartei.PDS vor die Öffentlichkeit träten und verkündeten, dass intensive juristische Prüfungen der partei- und wahlrechtlichen Situation leider, leider ergeben hätten, dass die Neue Linkspartei leider, leider nur durch einen Übertritt der Mitglieder der WASG zur Linkspartei.PDS zu haben sei, also via Anschluss der WASG an die Linkspartei.PDS. Das Ergebnis wäre dann eine post festum doch noch gelungene Westausweitung der PDS, nachdem viele ihr eher ein Dasein post mortem prophezeiten – bis Lafontaine der WASG das Stöckchen hinhielt und sie zur Bluttransfusion zugunsten dieser „halben Leiche“ (Ex-PDS-Vorstand Joachim Bischoff über die damalige PDS) zwang. Das Ergebnis wäre eine PDS-plus, eine PDS/ML (mit Lafontaine), also eine Kreation, um nicht zu sagen: Kreatur, die sich nur wenig von dem geriatrischen Gebilde unterschiede, das zu wählen sich die Wählerinnen und Wähler vor allem im alten Bundesgebiet über 15 Jahre hinweg massiv weigerten – in Größenordnungen von 98-99 Prozent. Wer also kann eine solche Entwicklung warum wollen? Nun, die Interessenlage der Strategen und Mitglieder der Linkspartei.PDS wurde schon genannt. Sie ist ganz klar. Die WASG ist für die PDS einfach ein Himmelsgeschenk. Retter in letzter Not sozusagen. Nur, was treibt die Klaus Ernst & Co.? Ist man in 15 Monaten schon so korrupt geworden wie die Grünen erst nach 15 Jahren? Bestimmt das Sein bzw. bestimmen Posten und Pfründe wirklich derartig radikal das Bewusstsein? Oder ist es einfach taktisch-strategische Dummheit? Ist man derartig in autoritär-zentralistische, dem 19. und frühen 20 Jahrhundert entstammende parteiliche (und gewerkschaftliche) Organisationsstrukturen und politische Kulturen verstrickt, dass man die immer komplexer werdende soziale und politische Realität und auch die Komplexität der politischen Linken zu erkennen nicht in der Lage ist – geschweige denn, diese Komplexität und Vielfalt als eigenständige hohe Werte zu begreifen und in einer Weise organisatorisch zu vereinen, die diese Komplexität und Vielfalt als Werte nicht nur bewahrt, sondern sogar als politische Kraftquelle nutzt? Oder, wir sind ja wohlmeinend, ist man wirklich und im tiefsten Herzen bange, dass die historische Chance einer bundesdeutschen Vereinigten Linken durch Sperenzchen einiger WASG-Landesverbände versemmelt werden könnte – und man lieber den Spatz (PDS-plus) in der sicheren Hand hat als die Taube (breites, pluralistisches, Entwicklungszeit und neue, intelligente Organisationsformen benötigendes Linksbündnis) auf dem fernen Dach? Es gibt aber noch eine ganz andere Interpretation.[1] Sie lautet: Das Projekt einer Neuen („Neuen“) Linkspartei wird von den Lafontaine, Maurer, Ernst & Co. von vornherein auf Regierungsfähigkeit, nein, man sagt ja heute dezent: auf die Fähigkeit zur Mitgestaltung getrimmt. Ziel ist eine möglichst schnelle Regierungsbeteiligung. Die SPD geht in der Großen Koalition mit der CDU sichtbar unter. Sie kann sich kaum profilieren. Politisch klug wäre für die SPD also, nicht bis zur nächsten Bundestagswahl zu warten und sich bei den Wählerinnen und Wählern die Quittung für ihre rosa angetünchte CDU-Politik abzuholen, sondern die Große Koalition in der Mitte der Legislaturperiode platzen zu lassen und eine – rechnerisch schon seit der letzten Bundestagswahl mögliche – rot-rot-grüne Koalition zu schmieden. Dieses strategische Konzept würde aber eine gefestigte Neue Linkspartei benötigen, bereinigt von allen demokratisch-sozialistischen, basisdemokratischen, linkssubkulturellen, bewegungslinken, radikalen und authentisch antineoliberalen Spinnern und Unruhestiftern und stramm durchorganisiert und geführt von den Medienstars der Fraktion und den Apparatschicks der Partei, also von „verlässlichen“ Leuten. Für diese Interpretation spricht auch die regelrechte Besessenheit, mit der der Wahlantritt der WASG gerade in Berlin von den Oberen der WASG wie der Linkspartei.PDS bekämpft wird. Gerade die Berliner Linkspartei.PDS lebt mit ihrer „Mitgestaltung“, sprich: Politik des Sozialabbaus und der Privatisierung öffentlichen Eigentums in der Koalition mit der SPD schon vor, was bundesweit, wenn nicht nach Meinung der Lafontaine, Maurer, Ernst & Co., dann auf jeden Fall nach Dafürhalten der Bisky, Gysi, Wolf & Co. erst werden soll. Der neoliberal weichgespülte Kurs der Berliner Linkspartei.PDS unter Harald Wolf zeichnet sich nämlich mehr und mehr als Mainstreamkurs der gesamten Linkspartei.PDS ab – und damit, angesichts der Mitglieds- und Mehrheitsverhältnisse in und zwischen WASG und Linkspartei.PDS, als Mainstream der projektierten Neuen Linkspartei. Nichts würde diesen neoliberal weichgespülten Kurs so sehr treffen wie ein erfolgreicher Wahlantritt der WASG in Berlin, erfolgreich im Sinne des Endes der rot-roten Koalition und damit des Harald-Wolf-Kurses. Also muss der Wahlantritt der Berliner WASG mit allen Mitteln bekämpft werden – auch mit vordemokratischen, autoritären und damit widerwärtigen Mitteln, die große Teile der Mitglieder der WASG und noch weit größere Wählerpotenziale nur noch abstoßen. Viele Parteilinke haben schnell begriffen oder auch nur intuitiv erfasst, dass es – vorerst – zur WASG als linker Sammlungsbewegung keine vernünftige Alternative gibt. Begreift man die WASG primär als linke Abspaltung von der SPD (zu der sich auch viele enttäuschte Ex-Grüne und Mitglieder sozialer Basisbewegungen etc. gesellten), wäre angesichts der bislang nicht gerade berauschenden Wahlergebnisse der WASG (etwa in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz) eine linke Abspaltung von dieser linken Abspaltung momentan des Schlechten zuviel. Aber ich möchte betonen: Vorerst! Denn es ist durchaus möglich und nicht gerade unwahrscheinlich, dass sich die beschriebene dümmste Variante der Schaffung einer Neuen („Neuen“) Linkspartei durchsetzen und der Leidensfähigkeit der basisdemokratisch und authentisch antineoliberal orientierten Parteilinken damit ein Ende setzen wird. Ein neuer Anlauf zu einer breit fundierten Sammlungsbewegung links von einer die WASG annektierenden Linkspartei.PDS, in der sich der neoliberal angepasste Kurs der Berliner Linkspartei.PDS als Mainstream etabliert hätte, wäre dann wohl unvermeidlich. Noch haben die Hurrafusionisten aber nicht endgültig gewonnen. Es zeichnen sich drei grundlegende Strategien ab, wie die authentisch antineoliberale Parteilinke in der WASG und, ich betone: UND in der Linkspartei.PDS die Durchsetzung der dümmsten aller Fusionsvarianten konterkarieren, ja verhindern kann: Zunächst muss die Parteilinke in der WASG, ja in der gesamten Republik den Wahlantritt der WASG (und wenn es sein muss der bereits gegründeten und für alle Fälle zur Wahl schon angemeldeten WASB) in Berlin unterstützen, um der neoliberal angepassten Harald-Wolf-Gedächtnis-LPDS in Berlin eine fulminante Wahlniederlage beizubringen und dieserart zu verhindern, dass der an schnellstmöglichem Mitregieren orientierte Kurs des Mainstreams der Linkspartei.PDS auch zum Mainstream der Neuen Linkspartei wird. Diese Strategie habe ich an anderer Stelle genauer beschrieben und möchte hier nur darauf verweisen.[3] Zum zweiten muss die Parteilinke in der WASG jeden Gedanken an Rückzug und Resignation zurückweisen. Parteiaustritte und Rückzug ins Private sind nicht erlaubt! Das genaue Gegenteil ist notwendig. Wir müssen möglichst viele links orientierte Ex-WASGler und Noch-nie-WASGler davon überzeugen, zumindest bis zum nächsten Parteitag der WASG beizutreten. Niemandem wird zugemutet, das aus innerster politischer Überzeugung zu tun. Und niemandem wird abverlangt, in Parteigremien oder auf Parteiversammlungen den Verbalhandlungen der Hurrafusionisten beizuwohnen. Man muss, vorerst, nur in die WASG eintreten und kann ansonsten teilnahmslos zu Hause bleiben – bis zu dem Tag, an dem die entsprechenden Parteigremien (Mitgliederversammlungen etc.) ihre Delegierten zum Bundesparteitag wählen. Dann sollten alle Neumitglieder erstmalig auftauchen und Delegierte wählen, die für einen basisdemokratischen, authentisch antineoliberalen Linkskurs der Partei stehen. Der Aufwand für diese Neumitglieder, man könnte auch sagen: „Schläfer“ wäre minimal – der politische Ertrag für die Parteilinke und das Projekt einer breit, pluralistisch und basisdemokratisch fundierten Neuen Linkspartei aber maximal! Aufgabe aller WASG-Parteilinken in den nächsten Wochen ist also primär, zwei bis drei (oder zwanzig bis dreißig…) Neumitglieder bzw. Schläfer zu werben, die im beschriebenen Sinne agieren. Und wenn diese Strategie einer offenen Unterwanderung nicht klappen sollte, nun, dann können diese Schläfer ja gleich wieder aus der WASG austreten. Ihr Gesamtaufwand wäre selbst in diesem Falle minimal. Drittens schließlich muss sich die Linke in der WASG mit der Linken in der Linkspartei.PDS[4] sowie mit möglichst großen Teilen der bundesdeutschen Linken insgesamt zu aktionsfähigen Strukturen vernetzen, also das Vorantreiben, was am 20. Mai 2006 in Kassel so hoffnungsvoll begonnen hat. Das Internet bietet hierzu, was in der Geschichte politischer Parteien und ihres Werdens ein absolutes Novum ist (schon die Geschwindigkeit der Gründung und Etablierung der WASG wäre ohne das Internet völlig undenkbar gewesen), nahezu ideale Voraussetzungen. Wir müssen in der WASG (und in der Linkspartei.PDS etc.) als Parteilinke zwar zunächst und mit aller Macht für eine wirklich breit, pluralistisch und basisdemokratisch fundierte, wirklich authentisch antineoliberale und wirklich Neue Linkspartei kämpfen – bis zum Parteiausschluss quasi. Die Parteilinke sollte die WASG maximal die Füße voraus verlassen, solange zumindest noch nicht endgültig entschieden ist über den Charakter des entstehenden neuen Parteiprojektes. Sollte sich aber die beschriebene dümmste aller Fusionsvarianten durchsetzen und der Mainstream der neoliberal angepassten Berliner und mehr und mehr auch bundesweiten Linkspartei.PDS als Mainstream der Neuen Linkspartei erweisen, würde der Parteilinken in der WASG (und der Linkspartei.PDS?) nichts anderes übrig bleiben, als – mit hoffentlich vielen anderen Gruppierungen der politischen Linken – ein neues Parteiprojekt zu starten. Es müssen also prophylaktisch Vernetzungsstrukturen aufgebaut werden, die für den Fall der Fälle schnell genutzt werden können. Um das, was in nächster Zeit zu tun ist, knapp und abschließend zusammenzufassen: 1. Bis zum 17. September 2006 mit allen nur erdenklichen Mitteln die Berliner WASG bzw. WASB unterstützen. [1] Die folgende Interpretation stammt von meinem Freund und politischen Mitkämpfer Heiko Feldmann. Zumindest habe ich sie von ihm in dieser dezidierten Form erstmalig gehört. von Egbert Scheunemann | |
Letzte Aktualisierung ( 30.05.2006 ) |
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